Erinnerungskultur

Zu dem Thema Erinnerungskultur führten die Profilkurse Geschichte und WiPo in der Q2 am vergangenen Donnerstag einen Fachtag durch. Erinnerung ist ein zentrales Thema im Leben eines jeden, sei es nun alt oder jung. Dies wurde deutlich, als in Gruppen Mindmaps erarbeitet wurden. Private Beispiele wie Familienalben und Freundschaftsfotos standen nun gleichberechtigt neben öffentlichen Beispielen wie Denkmälern und Gedenktafeln. Straßennamen sind eine weiteres Beispiel von Erinnerungskultur. Welche Personen sollten wann und aus welchem Grund mit einem Straßennamen geehrt werden? Welche Probleme bringt so eine Ehrung oder eine Umwidmung eventuell mit sich? Diese Fragen waren Gegenstand einer intensiven Diskussion in Kleingruppen, deren Ergebnisse wieder visualisiert wurden.

Im zweiten Teil der Veranstaltung ging es um einen konkreten Straßennamen. Stadtarchivar Dr. Carsten Walczok berichtete kenntnisreich von neuen Entdeckungen, welche den ehemaligen Bürgermeister Reinbeks Hermann Körner betrafen. Die anschließende Diskussion war von einem hohen Wissensdurst und einer konstruktiven Kontroversität geprägt.

Die Ergbnisse des Fachtages wurden anschließend dem gesamten Jahrgang Q2 vorgestellt. Auch hier entspann sich eine intensive Debatte. Viele Aspekte wurden angesprochen, Bewertungen und Nuancen diskutiert. Auch am Ende der Veranstaltung blieb deutlich, dass man einem Menschen, auch Hermann Körner, nur durch eine differenzierte Betrachtungsweise gerecht werden kann.

Ronald Monem, Projektleitung

Meinungsbilder von Teilnehmern des Fachtages

Tom, Q2:
Gleich zu Beginn kamen wir im Rahmen von Arten der Erinnerungskultur darauf zurück, wie überhaupt geehrt werden kann, sodass wir um die Bedeutung dieser Erinnerungskultur wussten. Dass die Debatte um den Namen Hermann Körners durchaus seinen Grund hat, zeigte sich im Folgenden dann schnell durch den Vortrag des Stadtarchivars. Der frühe Parteieintritt Körners noch vor der Machtergreifung zeigte schnell auf, dass er doch etwas näher mit der NSDAP in Verbindung stand als ein einfacher Mitläufer. Davon zeugt auch Körners schneller Aufstieg trotz seines niedrigen Alters. Später kam es zur Diskussion, ob Körner vielleicht einfach aus Karrieregründen handelte und nicht wegen der Naziideologie, doch auch dieser Beweggrund wäre als moralisch verwerflich anzusehen. Als der Stadtarchivar weitererzählte, kam dann noch zutage, dass sich Körner später für den Kriegsverbrecher und sog. „Schlächter von Warschau“, Heinz Reinefahrt, einsetzte. Zudem lief auch der Entnazifizierungsprozess Körners nicht allzu glatt ab. Dazu kam noch heraus, dass Hermann Körner bei seiner Bewerbung als Bürgermeister Fakten verzerrte und sich selbst eher übertrieben heroisch darstellte. Nach einer lebhaften Diskussion stellte sich zusätzlich noch heraus, dass Körner sich mutmaßlich nie in vollem Umfang vom Nationalsozialismus distanzierte. All diese Vielzahl an Fakten schockierten mich durchaus, sodass ich mich ethisch und moralisch von dieser Form der Ehrung für Körner distanzierte. In der abschließenden Diskussion beharrten einige darauf, dass die Ehrung ja wegen der guten Arbeit als Bürgermeister durchgeführt wurde, nicht wegen seiner Arbeit im Dritten Reich. Problematisch ist hier aber, dass Hermann Körner als Namensgeber eine Vorbildfunktion einnimmt und sein Lebenswerk als Ganzes gesehen werden muss. Bei der Ehrung des ehemaligen Bürgermeisters wusste zudem vermutlich kaum jemand von seiner Vergangenheit. Zwar machte sich Körner nie an Kriegsverbrechen schuldig und leistete eine sehr gute Arbeit als Reinbeker Bürgermeister, trotzdem sollte seine Vergangenheit kritisch gesehen und seine Unterstützung für das Nazi-Regime nicht unterschlagen werden.

Henry, Q2:
Projekttag „Erinnerungskultur“ – Die Hermann-Körner-Straße in Reinbek

Am Projekttag „Erinnerungskultur“ befassten wir uns mit der Funktion von nach Personen benannten Straßen. Schon hier konnten wir einige Probleme in dieser gängigen Praxis aufzeigen. Zum Beispiel sahen einige in der möglichen Politisierung ein Problem (Stimme ich wirklich mit beispielsweise Adenauers Politik überein?). Ein ebenfalls gewichtiges Problem sahen wir in der Unklarheit darüber, was geehrt wird. Dies führt uns direkt zu unserem konkreten Fall in Reinbek, der Hermann-Körner-Straße. Hermann Körner wurde nach 20 Jahren hervorragender Arbeit als Bürgermeister der Stadt Reinbek in den 70er Jahren eine Straße gewidmet. Das Problem was sich heute, fast 40 Jahre später, zeigte ist, dass besagter Herr Körner nicht nur in Reinbek hervorragende Verwaltungsarbeit leistete, sondern auch im 3. Reich als Bürgermeister der Stadt Küstrin. Auch sein früher Parteieintritt vor der Machtergreifung Hitlers deutet darauf hin, dass er die Ideologie der Nazis teilte. Des Weiteren bekleidete Körner eine hohe Position in der NSDAP. Er führte das Amt des Kreisleiters kommissarisch aus. Auch seine Nähe zum „Schlächter von Warschau“, Heinz Reinefahrt, erschien auf den ersten Blick widersprüchlich. Der Einsatz für Reinefahrt kann aber teilweise dadurch erklärt werden, dass Körner ihm vermutlich sein Leben zu verdanken hatte, da dieser, entgegen der Befehle Hitlers, Küstrin aufgab.
Das Problem, was einige in einer Umbenennung der Straße sahen, ist, dass keine Beweise vorliegen, dass Körner sich aktiv an Nazi-Untaten beteiligte. Natürlich kann man sagen, dass Zuschauen einen auch zum Schuldigen macht, aber sind dann nicht 60 Millionen Deutsche schuldig? (über 7 Millionen Deutsche waren NSDAP Mitglieder) Dem wurde dann noch hinzugefügt, dass es eher Indizien dazu gäbe, die zeigen, dass er sich nicht an Aufrufen beteiligte, wie z. B. dem, Regimegegner zu melden. Ebenfalls dagegen spräche der hohe bürokratische Aufwand und die damit verbundenen Kosten. Dem ist nur noch hinzuzufügen, dass sich die Ehrung auf 20 Jahre hervorragender Arbeit als Bürgermeister bezieht. Ein Teil der Gruppe sprach sich aus diesen Gründen dafür aus, die Straße nicht umzubenennen. Dies erwecke den Eindruck eines nachträglichen Schuldspruchs, für jemanden dem eine aktive Beteiligung an den begangenen Gräueltaten nicht nachzuweisen sei. Heißt es nicht immer noch „Im Zweifel für den Angeklagten“? Eine Untergruppe hält es für falsch eine Straße neu nach einer Person wie Körner zu benennen. Das Problem hierbei sei aber, dass die Straße schon benannt ist und deswegen hielten wir es ebenso für falsch, einen Mann nachträglich eine Schuld zuzusprechen, die ihm nicht nachgewiesen werden konnte. Es gäbe dringlichere Probleme in Reinbek um die es sich zu kümmern gilt, ohne die hohen Kosten einer Umbenennung. Ein wünschenswerter Kompromiss könnte z. B. eine erklärende Tafel unter dem Straßenschild sein.
Das Behandelte Thema ist natürlich äußerst kritisch zu betrachten und war deutlich komplexer als angenommen, denn es gibt viele Meinungen und die allermeisten beruhten auf einer nachvollziehbaren Argumentation. Dass es uns möglich war, diese alle herauszuarbeiten und zu akzeptieren ist ein Bilderbuchbeispiel gelebter Demokratie gewesen.

Zurück