Die Melodien klingen noch nach
Die großen Flügelfenster der Aula leuchten hell in die sich schnell herabsenkende Abenddämmerung und abgerissene Klavier- und Geigen-Klänge schweben herab zu den ersten Besuchern, die sich der Schule nähern. Im Foyer stehen Eltern im Gespräch, während ein Vater mit langen Schritten seinem Sohn folgt, der mit seinem Instrumentenkasten in Richtung Aula vorauseilt. Die großen Flügeltüren zum Vorraum der Aula, in der ein Stück noch ein letztes Mal geprobt wird, stehen offen. Im Nebensaal entnehmen die jungen Musiker ihre Instrumente den Kästen, sortieren die Noten und spähen mit großen Augen in den schon halb besetzten Saal, während aufgeregte Eltern und die anwesenden Musiklehrer sich um eine heiter-beruhigende Ausstrahlung bemühen. Die Anspannung und verhaltene Vorfreude ist mit Händen zu greifen.
Heute Abend sind es nicht Schüler und Schülerinnen, die auf die Bühne treten, sondern junge Virtuosen, die ihre Begabung und Liebe zur Musik mit den Zuhörern teilen und die man danach plötzlich mit anderen Augen ansehen wird.
"Wir sind so dankbar, dass diese Abende nach der erzwungenen zweijährigen Pause wieder möglich sind", sagt mir die Musiklehrerin Frau v. Steinäcker. „Es ist erneut ein farbiges und schönes Programm zusammengekommen, das zwei Abende füllen wird und wir freuen uns über die Bereitschaft der jungen Musiker, sich einem Publikum zu zeigen.“
Einige stehen nicht zum ersten Mal auf einer Bühne, so z.B. die beiden Violinisten Maya (8a) und Moritz (9f), die diesen Abend als eine Art „Probelauf“ für ihre Teilnahme bei „Jugend musiziert“ nutzen möchten. Aber es gibt auch Instrumentalisten, die hier das erste Mal vor ein größeres Publikum treten. Ihr leises Herzflattern berührt einen und ihr Mut, sich den Zuhörern zu präsentieren!
Dann wird es dunkel und ruhig im Saal und nur noch die Lichter auf der Bühne und am Flügel sind an. Eine zierliche 5-Klässlerin überrascht mit einem satten Geigenstrich und die zartbittere Wehmut, die die beiden Saxophonisten bei „those where the days“ zaubern, steht in seltsamem Kontrast zu ihrer jugendlichen Heiterkeit. Die beiden Schwestern Kaya (11 J.) und Nele (9 J.) bieten auf der Geige verblüffendes Können und Virtuosität, ebenso wie die jüngeren und älteren Pianisten – bei Henrik (Q1) möchte man einen Blick auf die Tastatur erhaschen, um die rasenden Läufe der Chopin´schen Ballade nicht nur hören, sondern auch sehen zu können. Einige Künstler werden in der zweiten Stimme unterstützt durch ihre Instrumental-Lehrer oder ein Elternteil – so bietet Antonia (6c, Geige) mit ihrem Vater (Klavier) eine Idee davon, wie beglückend es ist, als Familie Hausmusik machen zu können.
Gerade im Zusammenspiel mit „Profis“, wie der Geigenlehrerin Nele Altenkamp oder Anna Ritzkowski, ist zu erkennen, welche musikalischen Begabungen es bei ihren Schülern und Schülerinnen zu entdecken gibt.
Jeder wird an diesen Abenden für sich einen heimlichen Favoriten ausmachen, auch wenn wirklich alles, was zu Gehör gebracht wird, herzberührend und begeisternd ist. Für die Schreiberin dieser Zeilen ist es das Lied „una fantasia“ von Ennio Morricone , von Louisa (Ek) gesungen mit einer glockenreinen Stimme, die einem die Tränen in die Augen treibt.
Neben großem Applaus und erleichterter Freude, nehmen die Künstler eine Rose mit nach Hause, die ihnen von Herrn Stemmler mit Dank und Anerkennung überreicht wird.
Es ist ganz dunkel geworden, als man in den Abend hinaustritt, aber die Melodien und das innere Leuchten der jungen Künstler klingen noch nach und begleiten einen auf dem Heimweg.